„Der CDU-Beschluss zur Wiedereinführung der Optionspflicht ist kein Votum gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, sondern ein Ausdruck von Ablehnung gegenüber der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland. Und das bereitet mir große Sorgen”, erklärt Mustafa Yeneroğlu (AK Partei), Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei, anlässlich des CDU-Parteitages. Yeneroğlu weiter:
„Der CDU-Parteitagbeschluss zur Wiedereinführung der Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsgesetz hat mich überrascht. Vor allem, weil der Antrag ausgerechnet von der Jungen Union eingebracht wurde und nicht von den älteren Semestern in der Partei, denen man rechtskonservative Positionen eher nachsagt. Dies verdeutlicht vor allem, dass die Diskussionen um das Thema Doppelpass längst nicht abgeschlossen sind, sondern uns noch lange beschäftigen werden. Vor allem lässt dieser Kniefall vor der rechtspopulistischen Agenda der AfD für den bevorstehenden Wahlkampf nichts Gutes erahnen.
Was mich hingegen überhaupt nicht überrascht hat, ist die Tatsache, dass diese Diskussion fast ausschließlich auf dem Rücken der Türkeistämmigen geführt wird. Die Gegner der Optionsregelung diskutieren den Doppelpass bewusst in diesem Kontext, um von der allgemeinen antitürkischen Stimmung zu profitieren – mit Erfolg, wie man sieht. Würde man dieselbe Regelung im Kontext der Russlanddeutschen diskutieren, hätte der Antrag vermutlich keine Mehrheit gefunden.
Und da sind wir auch schon beim Hauptproblem: Die Stimmung in Deutschland gegenüber den rund drei Millionen Türkeistämmigen ist besorgniserregend. Bei der Abstimmung ging es nur augenscheinlich um die Wiedereinführung der Optionspflicht. Eine Gesetzesänderung ist auch im Hinblick auf die absehbaren Mehrheitsverhältnisse im Bundestag unwahrscheinlich. Das war auch den Delegierten auf dem Parteitag klar. Dennoch fand der Antrag eine Mehrheit, weil er im Kontext der Türken diskutiert wurde. Deswegen ist diese Diskussion keine Frage des Doppelpasses, sondern sie zeigt, wie groß die Ablehnung von Türkeistämmigen in Deutschland ist.
So und nicht anders wird diese Abstimmung bei den rund drei Millionen Türkeistämmigen wahrgenommen. Solche Empfindungen kommen integrationspolitisch einem Supergau gleich und sind äußerst kontraproduktiv. Wie groß muss die Ablehnung sein, dass man für einen in der Praxis sinnlosen Antrag zustimmt, nur, weil die Diskussion auf dem Rücken der Türkeistämmigen geführt wird. Das macht mir große Sorgen. Und diese Sorge sollten alle demokratischen Kräfte in Deutschland teilen.
Ich kann nur appellieren an die Bundeskanzlerin, sich von solchen Stimmungen nicht verleiten zu lassen. Sie ist aus Sicht der Türkeistämmigen in Deutschland ein angenehmes Korrektiv der sonst eher rechtskonservativen Unionslinie, die auch noch durch die CSU weiter nach rechts gezogen wird.
Unterm Strich ist diese Diskussion ohnehin nur eine Zeitfrage. In einer zunehmend globaler werden Welt ändern sich die Lebensräume und –umstände der Menschen zunehmend. Sie werden mobiler, entwickeln enge transnationale Bindungen und können zu mehreren Orten Heimatgefühle haben. Dieser Realität werden sich auch die Unionsparteien nicht entziehen können und werden früher oder später einlenken müssen.”