Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Ich danke dem Berichterstatter für die Erstellung eines Berichts zu einem Thema, das von entscheidender Bedeutung ist. Nach den Ausführungen der Berichterstatterin liegt der Zweck des Berichts darin, festzustellen, inwieweit die ausländische Finanzierung des Islam in Europa transparent ist. Ich bin mir nach der Lektüre des Berichts nicht sicher, ob sie den Zweck erfüllt sieht. Dies ist keine Kritik an der Berichterstatterin.
Ich erkenne in den umsichtigen Ausführungen die Mühe der Ausgewogenheit, doch machen wir uns nichts vor; entgegen der guten Absicht wird eine Versachlichung der Debatte durch solche Berichte nicht erreicht werden. Denn sie übergehen die rechtlichen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen und mühen sich an den tatsächlichen und vermeintlichen Wirkungen ab. Zunächst einmal halte ich es für problematisch, die Auslandsfinanzierung im negativen Kontext von Radikalisierung zu erörtern. Darüber hinaus müssen die Mitgliedsstaaten sowieso für Transparenz sorgen. Dabei sind alle Religionsgemeinschaften zu den gleichen Transparenzpflichten verpflichtet, die Muslime weder zu mehr noch zu weniger!
Spekulationen, die vorhandene gesetzliche Rahmenbedingungen außer Acht lassen und die Ignoranz, dass bei den meisten im Bericht genannten islamischen Religionsgemeinschaften schon aufgrund ihrer Größe Buchführungspflichten selbstverständlich sind, nähren erst Recht Verdächtigungen und Ängste, nicht nur bei den Mehrheitsbevölkerungen, worauf meistens fokussiert wird, sondern viel eher und in zunehmendem Maße unter Muslimen. Denn es bleibt nicht nur bei Verdächtigungen ihnen gegenüber, sondern sie sind in zunehmendem Maße islamfeindlichen Angriffen ausgesetzt.
Meiner Meinung nach fehlt es im Bericht vor allem an der Erörterung der Frage, ob manche Außenfinanzierung auch nicht daran liegen könnte, dass Muslime entgegen den Verfassungsvorgaben in den meisten europäischen Staaten mit den christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften eben nicht gleichberechtigt sind und somit praktisch von korporativen Rechten ausgeschlossen sind. In den meisten europäischen Staaten fließen die Steuergelder von Muslimen mittelbar an die christlichen Religionsgemeinschaften, während den muslimischen Gemeinden z.B. in Deutschland sogar das Selbstverständnis als Religionsgemeinschaften versagt werden, also auch Eigenfinanzierungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind, weil oftmals ihnen der innewohnende Status verweigert wird.
Auch das im Bericht genannte Islamgesetz in Österreich ist in Teilen verfassungswidrig. Ich hätte mir gewünscht, dass im Bericht gerade am Islamgesetz deutlich gemacht wird, dass dieses Gesetz auf Verdächtigungen gegenüber Muslimen beruht und im Vergleich zum Regelwerk bei anderen Religionsgemeinschaften äußerst diskriminierend ist.
Vor allem möchte ich die im Bericht unter Randnummer 103, 104 und 105 genannten Feststellungen der Venedig-Kommission unterstreichen. Letztlich bedeutet dies, dass die Diskussion hier falsch angesetzt ist. Eine eventuelle Auslandsfinanzierung ist nicht das eigentliche Problem, vor allem ist sie in den meisten Fällen nicht Ursache, sondern Wirkung der verweigerten Gleichberechtigung und Gleichstellung der islamischen Religionsgemeinschaften mit denen der christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften.
Volle Gleichstellung wird die Auslandsfinanzierung obsolet machen. Unabhängig davon bleibt die rechtlich verbürgte Autonomie der Religionsgemeinschaften, Spenden zu erhalten, auch aus dem Ausland. Darüber hinaus hat die venezianische Kommission vor kurzem das Recht auf die Finanzierung religiöser Organisationen durch “ihre geistlichen Zentren außerhalb des Territoriums” bekräftigt.
Wir brauchen also keine neuen Rezepte. Wir müssen vorhandene und bewährte Prinzipien gleichberechtigt auch auf die islamischen Gemeinschaften anwenden. Gerade dann werden wir die Beheimatung des Islams in Europa stärken und brauchen uns viele der dem Bericht zugrundeliegenden Sorgen nicht zu machen.
Danke, dass sie zugehört haben.